11.03.2009

Und täglich grüßt das Murmeltier

Täglich, ja täglich, sogar Samstags verbringe ich die ein oder andere Stunde in der Bibo um meine verdammt wichtige Magisterarbeit zu schreiben. Was anderes bleibt mir auch gar nicht über, denn nicht mein Fleiß sondern mein schlechtes Gewissen treiben mich in das gut 100m entfernte Glas-Beton-Gebäude. Wenn ich dann dort meine Sachen in den Zwei-Euro-Spind geschmissen hab und mit Laptop unter einem Arm, Aktenordner unter dem anderen und dann auch noch winkend – man kennt nach fast fünf Jahren doch die ein oder andere Person – die vierte Etage erreiche um mir einen Platz zu suchen, dann ist das, wie jeden Tag, ein fast aussichtsloses Unternehmen. 

Fräulein Paula ist nämlich nie in der Lage schon pünktlich um neun Uhr vor der Bibo zu stehen, um auch wirklich einen Sitzplatz in brauchbarer Bücherreichweite zu ergattern. Das „aus dem Bett rauskommen“ ist für sie nicht mal das schwerste, aber danach erwartet sie eine schier unerschöpfliche Auswahl an Ablenkungsmöglichkeiten. Angefangen mit frühmorgendlichen Nachrichten schauen bei dem sie in aaaaaaaaaaller Ruhe einen Kaffee trinkt. Oder sie bucht gleich das Frühstücksvollprogramm mit Brötchen holen, Eier kochen und nem ausführlichen Schwatz mit den Mitbewohnerinnen. Dann muss Fräulein Paula natürlich auch noch duschen. Okay das macht wohl jeder Mensch das ein oder andere Mal. Aber ihr fällt dann ehr öfter als gelegentlich ein, dass sie ja mal wieder eine Maske oder Haarkur machen müsste – natürlich alles mitten in der Woche. Aus dem Bad raus, läuft der Rechner. Kommunikationsprogramme in allen erdenklichen Formen animieren zum Gedanken- oder Blödsinnaustausch. Was das Fräulein meist rettet ist die Tatsache, dass sie dies auch in der Bibo machen kann. 

Wenn ich dann doch noch einen Platz gefunden hab, meinen Laptop angemacht, Bauakten auf dem viel zu kleinen Tisch ausgebreitet hab, Kopfhörer aufgesetzt, die zum tagesabhängigen Schreibstil passende Musik ausgesucht hab und nach oben blicke ... ja dann, dann schauen mich immer wieder die gleichen, verstört lächelnden Gesichter an.
Leidensgenossen, deren Namen man nicht kennt, von denen man nicht weiß was sie schreiben oder lesen, nur das sie es tun. Man kennt nicht die Klangfarbe ihrer Stimme, aber dafür jede einzelne, viel zu großgeratene Hautpore an ihren Nasen. Man kann Tagebuch darüber führen, in welchem Rhythmus sie ihre Outfits tragen, aber was sie gern zum Mittag essen, dass kann man nur erahnen, wenn besagte Outfits nach der Mittagspause merkwürdige Flecken tragen.
Im Laufe der vielen gemeinsamen Stunden atmet man die gleiche Luft – oder auch die verbrauchte der Leidensgenossen, was wiederum von einer tiefen, körperlichen Verbundenheit zeugt – und verdreht immer gleichzeitig genervt die Augen, weil die Sonnenblenden der Fenster im zwei-Minuten-Takt auf und zu gehen.
Ich mag das! Man kennt sich nicht, doch ein aufmunterndes Lächeln haben sie immer für mich auf den Lippen und ich für sie. Und das hilft verdammt noch mal die Qualen der Magisterarbeit zu ertragen...

Nur, dass Fräulein Paula, an ihrem Laptop sitzend, nicht Magisterarbeit schreibt, sondern sich anderen geheimen Geheimnissen widmet. Aber das können ihre Leidensgenossen nicht wissen und sollen sie auch nicht. Denn das fleißig tippende Fräulein Paula kennt eine Menge Ablenkungs- und Tarnmanöver. Aber das bleibt ihr Geheimnis – erstmal.

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